Liebe Gäste in der Heldenküche – Mario Giordano

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Heute kann ich wieder einen ganz besonderen Gast in der Heldenküche begrüßen. Mario Giordano ist Autor und gehört zu den erfolgreichsten deutschen Autoren im Spannungsbereich. Er hat viele Geschichten für den Tatort geschrieben, außerdem das Drehbuch für den Film „Das Experiment“, war mit seinem Vatikan-Thriller „Apocalypsis“ mehrere Wochen auf den Bestsellerlisten und hat auch einige Kinderbücher verfasst. Wir haben uns schon vor langer Zeit über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Unser Kontakt war nie intensiv. Aber bei den gemeinsam erlebten Abenden war ich immer beeindruckt von Marios schnellem und intelligentem Humor. Dank Facebook sind wir uns wieder begegnet und da musste ich ihn ja ganz unbedingt in die Heldenküche einladen. Besonders gefällt mir Marios Buch „1000 Gefühle, für die es keinen Namen gibt“. Vom „Wehmütigen Vermissen der Schmetterlinge im Bauch“ über die „Zärtlichkeit beim Anblick eines vollgekrümelten Betts“ bis zur „Plötzlichen Gelassenheit nach einem schmerzvollen Abschied“ ist alles dabei. Dass du mein Gast bist, lieber Mario, ist mir eine ganz große Freude!!

Männern im allgemeinen wirft man vor, dass sie nicht so gerne reden. Ganz besonders nicht über Gefühle. Du hast Worte für ganze 1000 Gefühle gefunden, für die es bisher keinen Namen gibt. Wie kam es dazu? Gab es ein besonderes Schlüsselerlebnis?

Ich liebe Listen. Ohne Listen wäre ich aufgeschmissen, im Alltag wie beim Schreiben. Listen geben mir das Gefühl, ich hätte alles im Griff. Vor einigen Jahren saß ich an einem Drehbuch und kam nicht mehr weiter, meine Figuren unklar, ihre Konflikte mau, die Dialoge hölzern – Krise. Und ich konnte nichts anderes denken als: “Hoffentlich ruft der Produzent nicht an und hakt nach.” Und tippte: “Die Hoffnung, nicht gefragt zu werden, wie weit man schon ist.”

Es stand plötzlich da, tröstlich und wahr. Also gleich das nächste Gefühl getippt: “Die Erleichterung, nicht gefragt worden zu sein.” Genau! Und dann aus tiefstem Herzen: “Die Eifersucht auf die Leichtigkeit und selbstverständliche Lässigkeit anderer.” Tat gut und passte sogar zur Situation meiner Hauptfigur. Und der Motor sprang wieder an.

Seitdem helfe ich mir beim Schreiben gelegentlich selbst aufs Pferd, indem ich mir überlege, welches Gefühl jeweils über einem Kapitel, einer Figur, einer Situation oder in einem Dialog stehen könnte. Und auch wenn es nicht immer funktioniert, macht es doch wenigstens viel Spaß.

Das Buch ist auf den ersten Blick ein wenig unscheinbar. Schlägt man es auf, eröffnen sich einem Welten. Man liest ein, zwei Beschreibungen und taucht sofort ab in die ganz persönlichen Geschichten, die einem zu einem beschriebenen Gefühl einfallen. Wie lange hast du an dieser Sammlung gearbeitet? Und kann diese Recherche jemals abgeschlossen sein?
Ich hatte über die Jahre ja schon einige hundert Gefühle gesammelt. Aber für das Buch habe ich im Verlauf eines halben Jahres noch tausend weitere ausgedacht. Aus dieser Sammlung haben wir dann die 1000 schönsten für das Buch genommen. Wenn mal einmal in Schwung ist, ist es nicht schwer, auf weitere Gefühle zu kommen. Das ist auch so eine Art Achtsamkeitsübung.

Gefühle  sammeln geht überall. In der U-Bahn, auf langweiligen Partys, beim Rotwein mit Freunden, im Change-Management-Seminar, in der letzten Reihe, im stillen Kämmerlein, auf der Demo, in der Schwitzhütte, an der Kühltheke. Einzige Regel: das Wort ‘Gefühl’ darf nicht vorkommen. Und am besten sofort aufschreiben, nicht zu lange drüber nachdenken. Manchmal ist es wie verhext – ich habe ein echtes Premium-Gefühl im Kopf, erste Sahne, aber wie ich es auch formuliere, nie bin ich zufrieden, immer wirkt es irgendwie ungelenk. Erst wenn ich meine verschiedenen Anläufe dann durchlese, erkenne ich, dass sie alle Gefühle sind, die ich gut kenne. Der Trick ist: man muss es aufschreiben. Unmittelbar sobald es aufgeschrieben ist, wirkt die Magie des Wortes, und man kann sicher sein, dass irgendjemand auf der Welt genau dieses Gefühl schon mal gehabt hat – oder gar gerade hat. Und schon ist man weniger allein.

Und natürlich sammle ich weiter Gefühle, da ist man nie fertig.

Unschwer an deinen Namen zu erkennen hast du italienische Wurzeln. Und damit kulinarische Gefühle quasi mit der Muttermilch eingesogen. Kannst du dich an ein absolutes Lieblingsgericht aus deiner Kindheit  erinnern? Was war es, welche Gefühle verbindest du damit und wer hat es dir gekocht?
Naja, mein Lieblingsgericht damals war eine klassische Pasta mit Tomatensoße und geriebenem Parmesan, das hat meine Mutter oft gekocht. Heute ist es eine sizilianische Pasta al nero di sepia. Das ist eine sehr zwieblige Tomatensoße, mit Sepiatinte schwarz gefärbt und kleinen Tintenfischstückchen darin. Die hat meine Tante Rosaria unnachahmlich hingekriegt. Für beide Gerichte gilt das Gefühl: “Das GLÜCK, wenn du gerade genau am richtigen Ort bist.”

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Lieber Mario, ich danke dir sehr für dieses Interview und und habe jetzt Gefühl Nummer 466. “Die Neugier, was wohl passiert, wenn ich jetzt auf den roten Knopf drücke”. Auf meinem steht “Veröffentlichen”.

Nachtrag:

Tssss, da fehlte ja ein Rezept. Geht ja gar nicht. Also reiche ich das noch schnell nach. Die Mengenangaben sind SEHR italienisch. Man nimmt eben alles nach GEFÜHL. Ich wäre damit überfordert, aber ich brauche ja auch eine genaue Anleitung, wenn ich nur Spaghetti ohne Sauce kochen soll. Ich übergebe also das Rezept dem Held und freue mich schon auf dampfende, scharfe, schwarze, sizilianische Pasta.

Das Rezept nach Tante Rosalia:
Tüchtig viele Zwiebeln anschmelzen (mehr ist mehr), mit Rotwein ablöschen und etwas einkochen lassen. Tomatensugo dazu. Gut und lange einkochen lassen, nach Belieben würzen (Salz, Pfeffer, Knoblauch, Oregano – aber vor allem auch Zucker!). Frische Tintenfischstückchen darin garen. Dann die Tomatensoße mit Tintenfischtinte richtig schwarz färben (die Tütchen gibt’s beim Fischhändler). Spaghetti dazu.

Und fertig!

 

Comments (2)

  • Hallo Mario,
    will mich ja nicht gleich bei Dir zum Essen einladen,
    aber würdest Du mir bitte Dein Rezept für Pasta al nero di seppia verraten ?
    Herzliche Grüße aus der Eifel
    Gabriele

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    • Liebe Gabriele, ich werde Mario mal danach fragen. Ist sicher kein Geheimnis, Und dann trage ich es nach.

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